[Die Bürger]

„Ahhh, da seid ihr ja“, grüßte Roland die beiden Zechpreller, als sie um die Ecke der Taverne kamen und ihn an seinem Metzgerblock trafen, auf dem er soeben ein Huhn geköpft hatte.
Er ließ sie dann gern noch etwas laufen, da er es faszinierend fand, wie die Federviecher auch ohne Kopf noch dazu in der Lage waren zu laufen, als wären sie von Beliar besessen. Während er das Beil zur Seite legte, lächelte er seine Zuschauer düster an.

„Murdra nimmt zwei eurer Ziegen als Bezahlung für’s Essen und die Unterkunft.“
Der Knecht griff nach der schwarzen Ziege, die von dem Gras fraß, auf welches das Blut vom Block heruntertopfte.
„Dieses Vieh sieht aus, als wäre es gut geeignet.“
Als seine Hand sich dem Kopf der Ziege näherte, bähte diese plötzlich bösartig und schnappte nach seinen Fingern.

„Argh! Verdammtes Dreckvieh!“
Roland trat nach dem Beißer und trieb ihn damit zu der Fremden und dem Dicken. Entsetzt schaute er auf seine Hand, die von Blut überströmt war. Einem seiner Finger fehlte das oberste Glied.
„Scheiße! Nehmt eure Mistviecher mit! Aber zwei der Ziegen blieben hier! Und seid froh, dass Murdra euch nicht vor mir erwischt hat!“
Roland hielt sich verkrampft die Hand mit der Bisswunde, sein Gesicht schmerzverzerrt. Er bot einen gefährlichen Anblick, während er den beiden entgegenstarrte.

Ardan

[Dion]

„WAS? Aber die Ziegen gehören dem Ord-…“
Weiter kam Dion nicht. Roland riss das Fleischbeil aus dem Hackklotz und machte einen drohenden Schritt auf den Adlatus zu.
„Wie war das?“, geiferte der Knecht, dessen Laune durch die üble Bisswunde alles andere als rosig war, „Ich hab mich wohl gerade verhört? Willst du, dass ich dich stattdessen über den Klotz lege, Fettsack? Nein? Dann VERPISS DICH! Und die beiden Ziegen dort hinten bleiben hier! Los jetzt! Los, hab ich gesagt!“
Bevor er ein weiteres Wort herausbringen konnte, zog Corsika Dion hinter sich her, fort von dem tobenden Knecht. Roland verpasste ihm bei der Gelegenheit noch einen Tritt in den Hintern, bevor er die beiden von ihm ausgewählten Ziegen grob an den Hörnern packte und hinter sich her schleifte, um sie im Schuppen einzusperren.
„Aber wir können doch Paulinchen und Rudi nicht einfach hierlassen!“, jammerte Dion, „Dieser… dieser Ork wird sie sicher umbringen! Corsika, kannst du denn gar nichts tun? Ein Wu-Du-Spruch oder so? Ich dachte, du hättest die Wirtin verzaubert, so dass sie die Schneckenhäuser für Gold gehalten hat, warum will sie jetzt die armen Ziegen behalten?“

[Corsika]

Corsikas Atem ging langsam wieder etwas ruhiger. Für einen kurzen Augenblick hatte sie sich eingebildet, Timo hätte dem Huhn den Kopf abgebissen und wäre zu einem fleischfressenden Diener Beliars geworden. Aber da hatten ihr ihre Sinne wohl einen Streich gespielt, so ein Glück.
Ganz falsch lag sie letztlich doch nicht, denn seinen Bluthunger stillte der Ziegenbock ausgerechnet an einem Finger von Knecht Roland und der war jetzt drauf und dran, sie selbst mit seinem Hackebeil einen Kopf kürzer zu machen. Schlimmer noch, Dion war zu einem einzigen Häufchen – nein – Haufen Elend geworden und trauerte seinen beiden Ziegen hinterher, die die hinterhältigen Gasthausbetreiber ihnen für die Übernachtung und das Essen abgeknöpft hatten. Das war ein schwerwiegender Betrug und absolut nicht tolerierbar. Wenn sie schon die Ziegen behalten wollten, dann sollten sie gefälligst die Schneckenhäuser wieder herausrücken!

„Das kannst du dir nicht gefallen lassen, Rollo. Wenn du schon keine Achtung vor dir selbst hast, dann doch wenigstens vor deinem Orden, hm?“
Eigentlich konnte es ihr völlig egal sein, ob sie nun von zwei Ziegen weniger begleitet wurden, aber Dions Seelenheil schien von diesen Tieren abzuhängen und ohne ihn würde sie es vielleicht nicht in die nächstgelegene Stadt schaffen. Er war der ideale Beschützer für sie. Jedes gefährliche Monster würde sich zuerst über das dicke, langsame Opfer hermachen, eine bessere Lebensversicherung gab es kaum.

„Na komm, bringen wir die anderen Tiere erst einmal in Sicherheit“, flüsterte sie ihm zu. „Roland wird sich bestimmt bald den Finger verbinden gehen. Ich werde ihn beobachten und lenke ihn im richtigen Moment ab. Ich kann ganz toll Gänserufe imitieren! Dann stürmst du rein und befreist Puhdy und Rosinchen.“
„Rudi und Paulinchen!“
Sie konnte ihm die Zweifel im Gesicht ablesen. Sie rannen als dicke Tränchen die speckigen Wangen herab.
„Sei stark, Dion! So stark wie die Schärpe, die mit aller Kraft deine Kleidung zusammenhält! Du kannst das packen, also gib dir einen Ruck. Innos‘ elftes Gebot besagt, dass du dir nicht deiner Kirche Ziegen klauen lassen sollst! Und du bist doch ein gottesfürchtiger Mann oder nicht? Dann geh und tu das Richtige!“